Im Kontakt mit unserer Angst


März 2021

Im Kontakt mit unserer Angst

Die globale Einladung, in einen Bewusstsein-Wandel zu gehen

von Huberta v. Gneisenau

Viele Menschen erleben aktuell Angst.
Angst vor dem Virus, möglicher Armut, einer Diktatur.
Angst ist unsere treuste und kraftvollste Begleiterin seit Menschengedenken.
Bereits im Moment unserer Geburt ist jedeR Einzelne unter uns – ohne Ausnahme – mit ihr konfrontiert, aber wir haben nicht gelernt, ein gesundes und heilendes Verhältnis zu ihr aufzubauen. Das Leiden, das auf der Oberfläche schlimm aussieht, hat eine essentielle Funktion. Jede Herausforderung ist eine große Hilfe, weil sie uns dazu zwingt, präsent zu sein. Niemand ist jemals in seiner Komfortzone erwacht.

Unsere Angst ist mehr als begründet1. Doch es reicht nicht aus, die Angst in allen schillernden Farben vor Augen zu haben, und uns gewohnheitsgemäß von ihr abzulenken, wegzudrehen, oder ganz eventuell darüber zu sprechen – wir sind dringend aufgefordert, mit diesem Potenzial umzugehen, in dem wir uns gerade `bis über beide Ohren´ befinden. Doch wir fahren damit fort, aufrechtzuerhalten, was wir als unsere menschliche Grundlage betrachten: ein gewisses Maß an Sicherheit, Stabilität und Vorhersehbarkeit. Damit deckeln wir perfekt die uns allen inhärente Angst2. Das Argument „Sterben werden wir ohnehin einmal- aber wollen wir die Zeit bis dahin in Angst und Bange verbringen?“ berührt nur die Oberfläche und vermeidet die Notwendigkeit, dass wir uns kollektiv der Angst stellen müssen. Die Geschehnisse der Welt basieren auf dieser grundlegenden Vermeidungsstrategie.

Wir sind gezwungen, tiefer zu gehen, wenn wir das Leiden nicht mehr ertragen. Denken, egal wie gut es angewendet wird, wird uns nie sicher machen, denn es kann nie wirklich eine Empfindung fühlen, nie wirklich die Realität erleben, nie nach Hause kommen.

Um zu heilen, müssen wir fühlen.

Das Gefühl der Angst ist keine Sache, nichts Wirkliches, es ist nur die Manifestation der Qualität der Beziehung, die wir in diesem Moment mit dem leben, was ist. Für das Ego ist die Angst immer das Feindbild, für unser tieferes Bewusstsein ist sie der Ausgangspunkt einer Beziehung. Wenn wir uns weiter weigern, die Angst anzuerkennen, bedeutet das den Verlust der Fähigkeit von gesundem Empfinden und Mitgefühl, also unserer Menschlichkeit. Wenn wir mit der Abspaltung fortfahren, fährt sie mit uns fort: So erleben wir uns als abgespalten, vielleicht „allein unter vielen“ und einsam. Wenn wir nur aus dem Verstand heraus handeln, jedes Gefühl vermeiden, werden wir Unmenschen. Wir landen in der Untertanenfabrik. Was wir gerade erleben, ist eine globale Einladung, tiefer zu gehen, raus aus dem rein mental-denkend identifizierten Stadium von Bewusstsein. Die Beschäftigung mit schönen Dingen, die uns gut tun, streichelt schon mal die Psyche, doch worum es wirklich geht, ist geistig körperlich spürbar in die Gegenwart zu treten.

Den Grund in uns selbst zu finden, der uns von Angst befreit – Wie geht das?

Der Gedanke, der Angst macht, ist ein Gedanke, der in der Zukunft liegt, nicht im Jetzt. Angst entsteht in jener gedanklichen Form, und daraus entsteht eine Emotion. Diese Angst wird uns auffressen, solange wir nicht in eine andere geistige Wahrnehmung kommen. Dieser Gedanke entsteht im konzeptuellen denkenden Geist. Denn was ist in diesem Moment gerade jetzt zu fürchten?

Die Angst entsteht erst wieder, wenn wir diesen Moment verlassen. Wir haben also die Möglichkeit, uns auf zwei mentalen Ebenen zu bewegen. Derjenigen des konzeptuellen Geistes, der sich wie ein plätschernder Gebirgsstrom unaufhörlich ergießt und sich in die Möglichkeiten der Zukunft oder Vergangenheit begibt, worüber wir keinerlei Kontrolle haben (formale Identität), oder dem tiefer liegenden essenziellen Geist, der nur im Hier und Jetzt zu finden ist (transzendentes Sein, bedingungsloser Geist). Er verankert sich über die Körper- und/oder Atembetrachtung. Gehen wir tiefer als das Denken, – hier ist der Beginn unserer essenziellen Identität: angebunden an den jetzigen Moment eröffnet sich eine tiefere Dimension von Bewusstheit gegenüber derjenigen, mit der wir normalerweise identifiziert sind.

Seien wir uns also uns selbst bewusst, – im Feld von gefühlter Präsenz. Durch Zuhilfenahme der Atembeobachtung verankern wir uns im JETZT. Wenn wir abdriften, bedeutet es, den gegenwärtigen Moment zu verlieren, und wir haben uns im denkenden Geist verloren. Dann gilt es, wieder in den gegenwärtigen Moment zurück zu kommen. Spüren wir ein lebendiges Gefühl im Körper? Nehmen wir den Atem wahr? Fühlen wir das ganze Energiefeld in unserem Körper? In diesem Moment gibt es nichts zu befürchten. Diese Gegenwärtigkeit ist untrennbar davon, wer wir sind. Das erlaubt uns, mit jedweder Empfindung in Kontakt zu kommen.

Das Gewahrsein selbst ist eine unaufhörliche Beziehung.

Wenn wir uns nun von unserer Angst berühren lassen, – nicht basierend auf Zeit und den Grübeleien des Geistes -, sondern unmittelbar spürend, und ihr ein sanftes mitfühlendes Bewusstsein entgegenbringen, entsteht mehr innerer Raum. Wir können mit der Angst präsent sein, wir können lernen, uns damit zu entspannen und mit Einsamkeit, Verlassenheit und jeder anderen bedrohlichen Empfindung räumlich zu sein. Im gegenwärtigen Augenblick wird das Denken zu einem wortlosen Bewusstsein, und wir sind nicht länger die Opfer unseres eigenen, vom Verstand geschaffenen Leidens.

Der Körper voller Bewusstheit ist im Licht.

Wenn wir auf der Ebene von Gewahrsein „mit einem Fuss innen, und einem Fuss aussen“ leben, wird das Leben hilfreicher. Bei jeder Form der somatischen Dichte, jedem Ort der Blockade, jeder Kontraktion, jeder Empfindung präsent zu sein, sei es Freude oder Übelkeit, Stille oder Brennen, Frieden oder Panik, befreien wir uns in die Gegenwart, in das heilige Jetzt. Und der Körper kennt diesen Empfindungsstrom als Liebe, eine bedingungslose Liebe, eine Liebe, die im Herzen allen Seins gründet. Dort schrumpft die Angst. Wo keine Angst ist, gibt es kein Hindernis in unserem Geist.

So lassen wir das „konzeptuelle Denken“ hinter uns und können die Tiefe des Wunders erleben, in dieser Welt zu sein, und die Tiefe der Liebe zu den Wesen und zum Leben selbst. All dies ist das Geschenk für jedeN von uns, wenn die Angst geehrt wird, aber uns nicht mehr leitet.


1 Aktuell befinden wir uns mitten im größten Auslöschungsereignis der Menschheit durch jahrzehntelangen Ökozid, Klimawandel, elektromagnetische Verstrahlung und die aktuelle gesundheitspolitische Situation.
2 am Ende der Fahnenstange die Todesangst