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Spätsommernewsletter von Gerald Hüther

Hier der aktuelle und sehr lesenswerte Newsletter von Gerald Hüther.

Liebe Interessierte und kritische Begleiter, Freunde und Unterstützer aller Geschlechter,

wir stehen offenbar wirklich am Beginn einer tiefgreifenden Verwandlung. Überall ist es zu spüren. So wie bisher kann es nicht weitergehen. Solange wir uns wie die aufgescheuchten Hühner von Krise zu Krise jagen lassen, werden wir aus diesem selbsterzeugten Schlamassel auch in absehbarer Zeit nicht wieder herauskommen. Aber mit klugen Ratschlägen, Reden, Vorträgen, endlosen Diskussionen und der Verbreitung von immer mehr Informationen geht es offenbar auch nicht.

Das mußte auch ich inzwischen demütig erkennen. Geholfen hat mir dabei das Schreiben eines Buches, das demnächst erscheint.

Gerald Hüther und Robert Burdy
Wir informieren uns zu Tode
Herder-Verlag, Erscheinungsdatum 12. September 2022

Und hier ist ein kleiner Auszug:

„Der Philosoph Immanuel Kant verfasste gegen Ende des 18. Jahrhunderts einen Text, in dem er herausarbeitete, dass Aufklärung nichts mit Belehrung, mit der Weitergabe von Wissen und – so würden wir es wohl heute nennen – mit der Verbreitung von Informationen zu tun hat.

Es lohnt sich, zumindest den Anfangsteil dieser Schrift noch einmal zu lesen. Sie heißt:

„Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“

Und hier schreibt Kant gleich zu Beginn:

„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.

Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung freigesprochen (naturaliter maiorennes), dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt, usw.: so brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen. Ich habe nicht nötig zu denken, wenn ich nur bezahlen kann; andere werden das verdrießliche Geschäft schon für mich übernehmen. Dass der bei weitem größte Teil der Menschen (darunter das ganze schöne Geschlecht) den Schritt zur Mündigkeit, außer dem dass er beschwerlich ist, auch für sehr gefährlich halte: dafür sorgen schon jene Vormünder, die die Oberaufsicht über sie gütigst auf sich genommen haben. Nachdem sie ihr Hausvieh zuerst dumm gemacht haben, und sorgfältig verhüteten, dass diese ruhigen Geschöpfe ja keinen Schritt außer dem Gängelwagen, darin sie sie einsperrten, wagen durften: so zeigen sie ihnen nachher die Gefahr, die ihnen drohet, wenn sie es versuchen, allein zu gehen. Nun ist diese Gefahr zwar eben so groß nicht, denn sie würden durch einige mal Fallen wohl endlich gehen lernen; allein ein Beispiel von der Art macht doch schüchtern, und schreckt gemeiniglich von allen ferneren Versuchen ab. Es ist also für jeden einzelnen Menschen schwer, sich aus der ihm beinahe zur Natur gewordenen Unmündigkeit herauszuarbeiten. Er hat sie sogar liebgewonnen, und ist vor der Hand wirklich unfähig, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, weil man ihn niemals den Versuch davon machen ließ. Satzungen und Formeln, diese mechanischen Werkzeuge eines vernünftigen Gebrauchs oder vielmehr Missbrauchs seiner Naturgaben, sind die Fußschellen einer immerwährenden Unmündigkeit. Wer sie auch abwürfe, würde dennoch auch über den schmalesten Graben einen nur unsicheren Sprung tun, weil er zu dergleichen freier Bewegung nicht gewöhnt ist. Daher gibt es nur wenige, denen es gelungen ist, durch eigene Bearbeitung ihres Geistes sich aus der Unmündigkeit her aus zu wickeln, und dennoch einen sicheren Gang zu tun.“ (Immanuel Kant: Werke in zwölf Bänden, Band 11, Frankfurt 1977, Erstdruck: Berlinische Monatsschrift, Dezember 1784, S. 481 – 494).

Wem es beim Lesen dieses Textes nicht die Sprache verschlägt, sollte ihn noch ein zweites Mal in Ruhe durchlesen.

Es ist nicht ein Mangel an Verstand, also zu wenig Sachkenntnis und Wissen oder ihre unzureichende Fähigkeit, Sachverhalte zu erkennen, Kategorien zu bilden und Beobachtungen einzuordnen, was Menschen unmündig macht. Diese kognitiven Defizite ließen sich ja alle durch die Bereitstellung entsprechender Informationen, durch Belehrung und Unterricht überwinden. Und genau das wurde schon zu Kant`s Zeiten versucht und in den seither vergangenen 250 Jahren ständig weiter intensiviert und verbessert. Es hat nichts genützt. Und Kant sagt auch, warum all diese Bemühungen so erfolglos geblieben sind: Weil sie auf die Vermittlung von Wissen oder von kognitiven Kompetenzen ausgerichtet waren und nicht auf die Ermutigung, dieses Wissen und diese Kompetenzen einzusetzen, sich also seines „eigenen Verstandes zu bedienen“. Wem der Mut zum selber Denken und die Freude am Lernen abhandengekommen ist, bleibt ein unmündiger Abhängiger der an ihn herangetragenen und ihn überflutenden Informationen. Es gibt also einen Ausweg aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit: Aufhören zu reden und anfangen das zu tun und sich um das zu kümmern, was einem wirklich am Herzen liegt.

Das mache ich nun schon seit einiger Zeit gemeinsam mit anderen im Rahmen der Aktivitäten der Akademie für Potentialentfaltung. Aus den dabei gemachten Erfahrungen lerne ich immer besser, wie solche Entfaltungsprozesse in Gemeinschaften gelingen. Die wichtigste Erkenntnis: Es geht nicht, solange Menschen noch zu sehr in sich selbst und in Ihren Beziehungen mit anderen verwickelt sind. Sie müssten sich also zunächst aus diesen Verwicklungen befreien, sich also entwickeln. Danach entfaltet sich das in jedem einzelnen und in der jeweiligen Gemeinschaft angelegte Potential von ganz allein.

Für solche Entwicklungsprozesse gibt es Unterstützung durch die Mitarbeit in einer unserer Initiativen: Würde Kompass, Liebevoll Jetzt, Lern Lust Jetzt

Und für alle, die sich eingehender mit der Frage befassen möchten, wie sie anderen bei der Entfaltung der in ihnen angelegten Potentiale helfen können, habe ich gemeinsam mit der Plattform für Persönlichkeitsentwicklung younity eine einzigartige und umfangreiche Online-Ausbildung aufgenommen. Sie wird nun erstmals ab dem 19. September online angeboten. In dieser Ausbildung zum «Potentialentfaltungscoach» möchte ich euch einladen, ermutigen und inspirieren, euch aus allen möglichen Verwicklungen zu befreien, in die ihr geraten seid. Es geht also um eure Entwicklung, und darum, in eure eigene Kraft zu kommen und euren Selbstwert zu erkennen, so dass sich die in euch angelegten Potentiale endlich entfalten können. Nach dieser selbst erlebten Transformation, werdet ihr in der Lage sein, andere Menschen ebenfalls auf diesem Weg zu begleiten. Hier sind alle Informationen zu dieser Ausbildung.
Ich kümmere mich um die inhaltliche Gestaltung und den Ablauf dieser Ausbildung. Der Vertrieb und die Vermarktung liegt in den Händen von younity, von dort bekommt ihr auch nähere Auskünfte und Antworten auf eure Fragen.

Meine Vortrags und Reiseaktivitäten habe ich seit Beginn der Corona Problematik weitgehend eingestellt. Ich kümmere mich dafür stärker um die Aktivitäten der Akademie für Potentialentfaltung.

Und wenn es interessante Themen gibt, mache ich auch weiterhin gern entsprechende Interviews. Die werden meist online aufgenommen, ihr findet sie dann auf meinem Youtube-Kanal.

Auf meiner Website findet ihr einen kurzen Text, in dem ich zusammen mit dem Physiker Gerhard Luhn versucht habe, den krisenhaften Entwicklungen, die wir gegenwärtig erleben, ein wenig tiefer auf den Grund zu gehen. Vielleicht gelingt es uns anhand dieser Überlegungen, auch eine etwas tiefer reichende Debatte über mögliche Auswege aus all diesen entstandenen Verwicklungen in Gang zu setzen. Gern laden wir euch zu konstruktiven Rückmeldungen und Vorschlägen ein.

Ihnen und Euch allen wünsche ich jetzt erstmal eine gute Zeit, bewahrt eure Würde, auch wenn es bisweilen nicht ganz einfach ist, und versucht möglichst liebevoll zu Euch und zu anderen zu sein, auch zu anderen Lebewesen.

Mit einem herzlichen Gruß,

Gerald Hüther


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